Festnahme, Verhaftung und Haftbefehl im Strafverfahren

Festnahme, Verhaftung, Haftbefehl im Strafverfahren

Wie verhalte ich mich bei einer Festnahme oder Verhaftung?

Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Christian Kucera, 15.02.2025

Die Festnahme  oder Verhaftung aufgrund eines Haftbefehls ist für viele Menschen eine belastende Erfahrung, die häufig aus heiterem Himmel kommt. Gerade in solchen Momenten ist es wichtig, Ruhe zu bewahren und die eigenen Rechte zu kennen. In diesem Beitrag erkläre ich Ihnen, was Sie tun sollten, wenn Sie selbst betroffen sind oder ein Angehöriger oder Freund festgenommen wird.


Ratgeber bei einer Festnahme oder Verhaftung - Tipps

  • Bleiben Sie ruhig und höflich: Aggressives Verhalten oder Widerstand bringen nichts, sondern verschlimmern die Situation. Vermeiden Sie auf jeden Fall körperliche oder verbale Auseinandersetzungen oder „Diskussionen“ mit den Beamten, um zusätzliche Nachteile zu verhindern.


  • Schweigen Sie konsequent: Sie sind nicht verpflichtet, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Jede Aussage kann später gegen Sie verwendet werden. Schweigen ist Ihr gutes Recht und kann nicht gegen Sie verwendet werden. Ohne vorherige Hinzuziehung eines Strafverteidigers gilt die wichtige Grundregel: Schweigen ist Gold!


  • Nichts unterschreiben: Sie sind nicht verpflichtet, irgendwelche Dokumente, wie etwa Vernehmungsprotokolle usw. zu unterschreiben.


  • Kontaktieren Sie einen Rechtsanwalt: Sie haben das Recht auf Hinzuziehung eines Strafverteidigers und sollten dieses Recht einfordern. Der Kontakt zu einem Strafverteidiger ist essenziell, um Ihre Rechte zu wahren und eine effektive Verteidigung aufzubauen.


Recht auf Anruf und Benachrichtigung eines Angehörigen

Sie haben auch das Recht, einen Angehörigen über Ihre Festnahme bzw. Verhaftung zu benachrichtigen. Hierbei sollten Sie es aber unbedingt vermeiden, mit dem Angehörigen am Telefon über den Vorwurf zu sprechen.


Was bedeutet Festnahme oder Verhaftung?

Eine Festnahme ist eine vorläufige Maßnahme, bei der eine Person festgehalten wird, z. B. wenn sie auf frischer Tat ertappt wird oder Fluchtverdacht besteht (§ 127 Strafprozessordnung - StPO). Sie kann von der Polizei oder unter bestimmten Umständen sogar von Privatpersonen durchgeführt werden. Wird die festgenommene Person nicht wieder entlassen, muss sie unverzüglich, spätestens am Tage nach der Festnahme dem Haftrichter vorgeführt werden, der dann darüber entscheidet, ob die Person entlassen wird oder weiter in Haft bleibt.

Eine Verhaftung ist eine längerfristige Freiheitsentziehung, die aufgrund eines Haftbefehls erfolgt. Sie dient dazu, eine Person in Haft zu nehmen, wenn sie einer Straftat verdächtigt wird und bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.


Der Untersuchungshaftbefehl (§ 112 StPO): Voraussetzungen von U-Haft

Der Untersuchungshaftbefehl ist in der Praxis besonders bedeutsam und dient der Sicherung des Strafverfahrens. Für ihn müssen im Wesentlichen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:


  • Dringender Tatverdacht: Es müssen Tatsachen und Beweise vorliegen, die eine hohe Wahrscheinlichkeit begründen, dass die beschuldigte Person eine Straftat begangen hat.

 

  • Haftgrund: Es muss ein Haftgrund vorliegen, z.B.:
  • Flucht oder Fluchtgefahr: Es besteht die Gefahr, dass der Beschuldigte sich dem Strafverfahren durch Flucht entzieht.
  • Verdunkelungsgefahr: Es besteht die Gefahr, dass Beweise vernichtet oder Zeugen beeinflusst werden.
  • Wiederholungsgefahr (§ 112a StPO): Der Beschuldigte könnte erneut bestimmte schwere Straftaten begehen.


Bei dringendem Tatverdacht auf bestimmte Straftaten der Schwerkriminalität  (z.B. Mord, Totschlag oder schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern) braucht ein solcher Haftgrund nicht vorliegen (§ 112 Abs. 3 StPO) bzw. kann unter weniger strengen Voraussetzungen vom Haftrichter angenommen werden. 


  • Verhältnismäßigkeit: Die Untersuchungshaft darf nicht unverhältnismäßig sein. U-Haft darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Strafsache und insbesondere der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis steht. Dies bedeutet u.a., dass der Haftbefehl nur dann gerechtfertigt ist, wenn keine milderen, weniger einschneidenden Maßnahmen wie Meldeauflagen oder Kaution ausreichen, um die Verfahrensziele zu sichern.


Weitere Arten von Haftbefehlen 

Die Strafprozessordnung sieht weitere Arten von Haftbefehlen vor, die je nach Zweck und Situation eingesetzt werden können. Besonders praxisrelevant sind hierbei, insbesondere folgende Haftbefehle:

Sicherungshaftbefehl bei Ausbleiben des Angeklagten in der Hauptverhandlung (§ 230 Abs. 2 StPO)

Ein Sicherungshaftbefehl kann nach § 230 Abs. 2 StPO angeordnet werden, wenn ein Angeklagter ohne genügende Entschuldigung einer gerichtlichen Hauptverhandlung fernbleibt und eine ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens dadurch gefährdet ist.


Sicherungshaftbefehl bei Widerruf der Bewährung (§ 453c StPO)

Ist ein Angeklagter bereits zu einer Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt worden und bestehen Gründe zur Annahme, dass die Bewährung widerrufen wird, kann gegen ihn ein Sicherungshaftbefehl nach § 453c StPO erlassen werden, wenn er zum Beispiel flüchtig ist. Damit soll gewährleistet werden, dass die gegen ihn verhängte Strafe auch vollstreckt werden kann.


Haftbefehl zur Strafvollstreckung (§ 457 StPO) - Vollstreckungshaftbefehl

Dieser Haftbefehl wird erlassen, wenn eine rechtskräftig verhängte Freiheitsstrafe vollstreckt werden soll und der Verurteilte die Strafe nicht freiwillig antritt.


Ablauf des Verfahrens nach einer Festnahme oder Verhaftung wegen Untersuchungshaftbefehls

Nach einer Festnahme oder Verhaftung läuft das weitere Verfahren in der Regel wie folgt ab:

  • Festnahme durch die Polizei:
    Die Polizei teilt Ihnen den Grund der Festnahme mit und belehrt Sie über Ihre Rechte (z. B. das Recht zu schweigen). Häufig wird die festgenommene Person an Ort und Stelle durchsucht, und ihre persönlichen Gegenstände werden sichergestellt.


  • Polizeiliche Maßnahmen und Vernehmung:
    Nach der Festnahme können Sie zur Wache bzw. in das sog. Polizeigewahrsam gebracht werden. Dort können erste Befragungen oder Vernehmungen stattfinden. Wichtig: Sie haben das Recht zu schweigen und sollten unbedingt einen Strafverteidiger hinzuziehen, bevor Sie Angaben machen.


  • Vorführung vor den Haftrichter spätestens binnen 48 Stunden:
    Spätestens am
    Tag nach der Festnahme, also maximal binnen 48 Stunden, entscheidet ein Haftrichter darüber, ob Sie in Untersuchungshaft kommen oder freigelassen werden. Der Haftrichter prüft, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Haftbefehl vorliegen. (Spätestens) für diesen Termin beim Haftrichter müssen Sie auch anwaltlich vertreten werden; es liegen die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung (sog. Pflichtverteidigung) vor und das Gericht muss Ihnen einen Pflichtverteidiger   zur Seite stellen.


  • Untersuchungshaft:
    Wird Untersuchungshaft angeordnet, bleiben Sie zunächst in Gewahrsam und werden in der Regel in eine Justizvollzugsanstalt gebracht.


  • Weiteres Verfahren:
    Nach der Entscheidung über die Untersuchungshaft wird das Verfahren durch die Staatsanwaltschaft weitergeführt, die dann im Ermittlungsverfahren insbesondere näher prüft, ob an den Vorwürfen etwas dran ist, ob also ein sog. hinreichender Tatverdacht besteht und ob eine Anklage erhoben, ein Strafbefehl beantragt oder aber das Verfahren eingestellt und Aufhebung des Haftbefehls beantragt wird.

   

Wie lange dauert Untersuchungshaft?

Die Dauer der Untersuchungshaft ist gesetzlich nicht starr begrenzt, unterliegt jedoch strengen Regeln und Kontrollen. Es gilt der Beschleunigungsgrundsatz, wonach der Beschuldigte einen Anspruch darauf hat, dass Ermittlungsbehörden und Gerichte den Fall bevorzugt und beschleunigt bearbeiten. Grundsätzlich darf U-Haft nicht länger als 6 Monate dauern. Nur in Ausnahmefällen – etwa bei besonders schwierigen oder besonders umfangreichen Ermittlungen – kann sie (durch das zuständige Oberlandesgericht) verlängert werden.


Wird die U-Haft auf eine etwaige spätere Strafe angerechnet?

Die Zeit, die man in Untersuchungshaft (U-Haft) verbracht hat, wird auf eine möglicherweise später verhängte Strafe in der Regel vollständig angerechnet (§ 51 Strafgesetzbuch, StGB).


Was kann ich gegen einen Untersuchungshaftbefehl tun? - Rechtsschutzmöglichkeiten

Ein Haftbefehl oder eine Festnahme ist eine belastende Situation – doch es gibt rechtliche Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren. Vor allem folgende Rechtsschutzmöglichkeiten stehen zur Verfügung:


Haftprüfung (§ 117 StPO)
Jede in Untersuchungshaft befindliche Person kann eine Haftprüfung beantragen. Dabei prüft das Gericht, ob die Voraussetzungen für die Haft (insbesondere Haftgründe, dringender Tatverdacht und Verhältnismäßigkeit) noch vorliegen. Falls dies nicht (mehr) der Fall ist oder eine mildere Maßnahme ausreicht, kann das Gericht den Haftbefehl aufheben oder unter Auflagen außer Vollzug setzen.


Haftbeschwerde (§ 304 StPO)
Zusätzlich oder alternativ kann eine Haftbeschwerde eingelegt werden. Hebt das Gericht seinen Haftbefehl auf eine Haftbeschwerde nicht selbst wieder auf, wird er von einem übergeordneten Gericht überprüft. Ist die Beschwerde erfolgreich, kann der Haftbefehl aufgehoben werden.


Antrag auf Außervollzugsetzung (§ 116 StPO)
Ein Haftbefehl kann unter bestimmten Voraussetzungen auch „außer Vollzug“ gesetzt werden. Das bedeutet, dass der Haftbefehl „auf dem Papier“ zwar bestehen bleibt, aber die Inhaftierung aufgehoben wird und der Betroffene freigelassen wird und Auflagen erfüllen muss – beispielsweise regelmäßige Meldepflichten, eine Kaution oder die Abgabe des Reisepasses.

Welche Vorgehensweise im Einzelfall die beste ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab – etwa den konkreten Haftgründen oder der Beweislage. Ein erfahrener Strafverteidiger kann die aussichtsreichste Strategie wählen und die entsprechenden Anträge stellen.


Entschädigungsanspruch bei unrechtmäßiger Untersuchungshaft nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz (StrEG)

Wenn das Verfahren gegen Sie eingestellt, das Hauptverfahren nicht eröffnet wird oder Sie vom Gericht freigesprochen werden, haben Sie unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Entschädigung nach dem Strafrechtsentschädigungsgesetz (StrEG).


Wie kann ein Strafverteidiger helfen?

Bei einer Festnahme oder Verhaftung und einem Haftbefehl brauchen Sie professionelle Hilfe durch einen erfahrenen  Strafverteidiger.

Er klärt Sie über Ihre Rechte auf, insbesondere über das Schweigerecht, überprüft die Rechtmäßigkeit der Festnahme oder des Haftbefehls und beantragt gegebenenfalls Ihre sofortige Freilassung. Zudem erhält er Akteneinsicht, entwickelt eine Verteidigungsstrategie und begleitet Sie zu Vernehmungen. Falls Untersuchungshaft angeordnet wurde, kann der Anwalt eine Haftprüfung oder Haftverschonung beantragen oder eine Haftbeschwerde einlegen. Darüber hinaus begleitet er Sie im gesamten Strafverfahren und steht auch Angehörigen beratend zur Seite.

Ein erfahrener Strafverteidiger setzt sich konsequent für Ihre Rechte und Ihre schnellstmögliche Freilassung ein und berät in allen weiteren Fragen rund um das Thema.


24/7 Strafverteidiger-Notruf bei Festnahme oder Verhaftung - Soforthilfe

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Über den Autor

Grüße aus Dortmund! Mein Name ist Christian Kucera und ich bin Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht sowie Ex-Staatsanwalt. Seit über 24 Jahren bin ich in Dortmund und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

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