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Von Rechtsanwalt & Fachanwalt für Strafrecht Christian Kucera, 12.11.2023
Unterschied zwischen Wahlverteidiger und Pflichtverteidiger
Jeder Beschuldigte hat in einem Strafverfahren das Recht, sich durch einen oder mehrere Verteidiger verteidigen zu lassen. In der Regel wählen Beschuldigte sich ihren Rechtsbeistand selbst aus, beauftragen und bezahlen diesen auch selbst. Das ist dann der sog. Wahlverteidiger.
In bestimmten schwerwiegenderen Strafverfahren verlangt das Gesetz, dass ein Beschuldigter einen Verteidiger hat. Hat dieser selbst noch keinen Wahlverteidiger beauftragt, bestellt das Gericht einen sog. Pflichtverteidiger.
Die Regelungen über die sog. Pflichtverteidigung – die im Gesetz als „notwendige Verteidigung“ bezeichnet wird - stellen sich nach dem Bundesverfassungsgericht
„als Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips in seiner Ausgestaltung als Gebot fairer Verfahrensführung dar“.
Quelle: BVerfG, Beschl. v. 05.10.2020 – 2 BvR 554/20
Der Pflichtverteidiger ist unabhängig vom Staat
Der Pflichtverteidiger wird unter bestimmten Voraussetzungen dem Beschuldigten zwar vom Gericht bestellt und von der Staatskasse bezahlt. Er ist auch zur Übernahme der Pflichtverteidigung verpflichtet und kann nur aus wichtigen Gründen von seinen Pflichten entbunden werden. Er ist aber vom Staat unabhängig und arbeitet nicht für diesen. Er hat dieselben Aufgaben und Pflichten wie ein „normaler“ Wahlverteidiger. Der Rechtsanwalt, der eine Pflichtverteidigung übernimmt, ist ebenso wie ein Wahlverteidiger nach dem Gesetz ein unabhängiges Organ der Rechtspflege.
Pflichtverteidigung ist keine Verteidigung „zweiter Klasse“
Die Pflichtverteidigung ist auch keine Verteidigung „zweiter Klasse“, wie dies manchmal – suggeriert durch gewisse Spielfilme – in der Allgemeinheit so gesagt wird. Jeder gute und verantwortungsbewusste Verteidiger, der eine Pflichtverteidigung übernimmt, wird seine Funktion im Dienste seines Mandanten nach besten Kräften und engagiert ausüben. Liegen die Voraussetzungen für eine Pflichtverteidigung vor, sollte man aber das Recht nutzen, sich einen Pflichtverteidiger selbst auszusuchen. Auch hier gilt der der Grundsatz: „Verteidigung ist Vertrauenssache“
Voraussetzungen der Pflichtverteidigung
In bestimmten schwerwiegenderen Strafverfahren - also immer dann, wenn es „ernst“ oder „schwierig“ wird - verlangt das Gesetz, dass ein Beschuldigter einen Strafverteidiger an seiner Seite hat. Hat der Beschuldigte einen solchen nicht schon von sich aus beauftragt, bestellt ihm das Gericht einen Pflichtverteidiger.
Auf die Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Beschuldigten kommt es – anders als im Zivilrecht bei der Prozesskostenhilfe (sog. „PKH“) – dabei nicht an! Die Pflichtverteidigung hat also nichts mit „Armenrecht“ zu tun.
In der Praxis kommt eine Pflichtverteidigung beispielsweise in folgenden Fällen in Betracht:
Kosten der Pflichtverteidigung
Der Pflichtverteidiger erhält seine Vergütung von der Staatskasse.
Eine Pflichtverteidigung ist aber in der Regel für Beschuldigte nicht „umsonst“, denn die Kosten für einen Pflichtverteidiger gehören zu den Verfahrenskosten, die im Falle einer Verurteilung in der Regel vom Verurteilten zu tragen sind. Der Staat verlangt die gezahlten Pflichtverteidigerkosten also vom Verurteilten in der Regel zurück. In gewisser Weise „schießt“ also der Staat die Kosten für den Pflichtverteidiger nur vor.
Im Falle eines Freispruchs trägt aber die Staatskasse die Kosten und der Freigesprochene muss nichts an den Staat zahlen.
Da die Pflichtverteidigervergütung in der Regel schon deutlich geringer ist als die Wahlverteidigervergütung, können Mandant und Anwalt eine in der Praxis durchaus übliche Zusatzvergütung vereinbaren.
Muss man einen Pflichtverteidiger beantragen?
Liegt ein Fall notwendiger Verteidigung vor und hat ein Beschuldigter noch keinen Verteidiger muss grundsätzlich beim Gericht ein Antrag auf Bestellung eines Pflichtverteidigers gestellt werden, worüber der Beschuldigte auch belehrt werden muss.
In vielen Fällen ist aber abweichend von diesem Grundsatz kein Antrag erforderlich und das Gericht bestellt einen Pflichtverteidiger von Amts wegen, etwa bei Vorführung vor den Haftrichter oder bei Zustellung einer Anklageschrift.
In solchen Fällen ist dem Beschuldigten aber grundsätzlich vorher Gelegenheit zu geben, sich selbst einen Pflichtverteidiger auszusuchen und dem Gericht zu benennen, Diesen Wunsch wird das Gericht in der Regel auch akzeptieren. Werden Sie also vom Gericht oder den Ermittlungsbehörden belehrt, dass eine notwendige Verteidigung vorliegt und aufgefordert einen Pflichtverteidiger zu benennen, sollten Sie dieses Recht unbedingt nutzen, und sich einen „Verteidiger Ihres Vertrauens“ selbst suchen!
Auch in Fällen, in denen das Gericht eigentlich „automatisch“ einen Pflichtverteidiger bestellen soll, unterbleibt dies in der Praxis aber manchmal, etwa, weil dem Gericht nicht alle Umstände, die eine Pflichtverteidigung begründen, bekannt oder bewusst sind. Auch dann sollte ein Antrag beim Gericht auf Bestellung eines Pflichtverteidigers gestellt werden.
Es ist ratsam, sich bei einem erfahrenen Strafverteidiger darüber beraten zu lassen, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen einer Pflichtverteidigung vorliegen und was im Einzelfall zu tun ist. Der juristische Laie ist hier aufgrund der komplexen gesetzlichen Regelungen schnell überfordert.
Kann man einen Pflichtverteidiger wechseln?
Ist man mit seinem Pflichtverteidiger nicht zufrieden, kann man sich natürlich jederzeit einen Wahlverteidiger aussuchen und diesen beauftragen. Den muss man dann natürlich auch selbst bezahlen. Hat der Wahlverteidiger das Mandat angenommen und dem Gericht dies mitgeteilt, hebt das Gericht in der Regel die Bestellung des bisherigen Pflichtverteidigers auf und man wird fortan von dem Wahlverteidiger vertreten. Dessen Kosten trägt dann aber nicht der Staat, sondern der Beschuldigte selbst.
Will man hingegen erreichen, dass der bisherige Pflichtverteidiger durch einen anderen Pflichtverteidiger „ausgetauscht“ wird, ist das nur in bestimmten Ausnahmefällen möglich. Es muss ein wichtiger Grund hierfür vorliegen, beispielsweise wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Pflichtverteidiger und Mandant endgültig zerstört ist. Hier bestehen aber hohe Anforderungen an die Begründung und den Nachweis dieses Auswechselungsgrundes.
Wie lange dauert die Pflichtverteidigung?
Die Bestellung des Pflichtverteidigers endet in der Regel mit einer etwaigen Verfahrenseinstellung oder dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens. Sie gilt also in der Regel für das gesamte Strafverfahren.
Fazit – Pflichtverteidiger unbedingt selbst aussuchen!
Die Pflichtverteidigung ist ein rechtsstaatlich gebotenes und sinnvolles Instrument, das gewährleistet, dass Beschuldigte in schwerwiegenderen Strafverfahren ohne Rücksicht auf ihre Einkommens- und Vermögensinteressen rechtskundigen Beistand erhalten.
Sie sollten aber unbedingt Ihr Recht wahrnehmen, sich Ihren Pflichtverteidiger selbst auszuwählen!
* Zur besseren Lesbarkeit wird im Text das generische Maskulinum verwendet. Gemeint sind jedoch immer alle Geschlechter
Über den Autor
Grüße aus Dortmund! Mein Name ist Christian Kucera und ich bin Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht sowie Ex-Staatsanwalt. Seit über 24 Jahren bin ich in Dortmund und bundesweit als Strafverteidiger tätig.
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