Sexualstrafrecht
Strafverteidigung durch Rechtsanwalt in Fällen von Kinderpornografie
Von Rechtsanwalt & Fachanwalt für Strafrecht Christian Kucera aus Dortmund, September 12, 2024
Der Vorwurf des Umganges mit Kinderpornografie wiegt schwer und ist für die Beschuldigten mit großen Belastungen verbunden.
Neben strafrechtlichen Konsequenzen wie Freiheits- oder Bewährungsstrafen führen außerstrafrechtliche Folgen nicht selten zu erheblichen Beeinträchtigungen, die viele Bereiche des Lebens betreffen. Im Vordergrund stehen hier insbesondere der Verlust beruflicher Perspektiven, soziale Stigmatisierung sowie familiäre und psychische Belastungen.
In Deutschland wurden in den letzten Jahren immer mehr Kinderpornografie-Verfahren registriert. Das geht aus Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik hervor. Danach ist ein Anstieg im Jahr 2023 gegenüber dem Jahr 2022 von rund 7 % zu verzeichnen. Als Gründe hierfür werden u.a. die deutlich intensivierte Strafverfolgung, z.B. durch Ausbau personeller und technischer Ressourcen der Ermittlungsbehörden und eine engere internationale Zusammenarbeit der Behörden und Organisationen genannt. Ein weiterer Grund für den Anstieg wird in dem Trend gesehen, dass vor allem Kinder und Jugendliche ohne Kenntnis eines strafrechtlichen Hintergrundes immer mehr kinder- und jugendpornografische Darstellungen in Gruppenchats und auf Social-Media-Plattformen (WhatsApp, Instagram, Snapchat, Facebook usw.) teilen und somit verbreiten.
Häufig wird Beschuldigten erstmals im Rahmen einer Hausdurchsuchung bzw. Wohnungsdurchsuchung durch die Polizei eröffnet, dass gegen sie wegen Kinderpornographie ermittelt wird. Liegt ein solcher Fall vor oder erlangen Sie auf anderem Wege Kenntnis vom Vorwurf, etwa durch eine Vorladung durch die Polizei zu einer Beschuldigtenvernehmung, sollten Sie immer die folgenden drei wichtigsten Grundregeln dringend beachten:
Die Strafbarkeit des Umgangs mit Kinderpornografie ist im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Die wichtigste Vorschrift hierzu findet sich in § 184b StGB. Strafbar ist danach der Umgang mit sog. kinderpornographischen Inhalten, also vor allem Bildern und Videos aber auch Texten oder „Comics“.
Diese Inhalte müssen sich auf Kinder, also Personen unter 14 Jahre beziehen.
Beziehen sich Inhalte auf Personen, die 14 aber noch keine 18 Jahre alt sind, kommt eine Strafbarkeit wegen Jugendpornografie nach § 184c StGB in Betracht.
Zudem müssen die Inhalte pornografisch sein. Dieses Merkmal ist vor allem bei sexuellen Handlungen und beim sog. „Posing“ aber auch bei der sexuell aufreizenden Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes erfüllt.
§ 184b StGB stellt verschiedene Formen des Umgangs mit Kinderpornografie unter Strafe. In der Praxis besonders bedeutsam sind dabei insbesondere das Abrufen (z.B. sog. „Streaming“), das Besitzverschaffen, Verbreiten und der Besitz kinderpornografischer Inhalte.
Der Gesetzgeber hat zuletzt die Mindeststrafen bei Kinderpornografie deutlich reduziert.
Für das Verbreiten von Kinderpornografie und bestimmte weitere Formen des Umgangs hiermit sieht das Gesetz i.d.R. Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren vor und für weniger schwerwiegende Fälle unter bestimmten Voraussetzungen eine solche von 3 Monaten bis 5 Jahren.
In schwerwiegenderen Fällen sieht das Gesetz sogar eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren bis zu 15 Jahren vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt.
Für die sehr praxisrelevanten Fälle des Abrufens (insbes. „Streaming), Sich-Verschaffens und vor allem des Besitzes von Kinderpornografie sieht das Gesetz Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren vor.
Kinderpornografie-Verfahren haben oft weitreichende außerstrafrechtliche Konsequenzen, die das Leben der Beschuldigten auf persönlicher, beruflicher und sozialer Ebene stark beeinträchtigen können.
Eintrag ins Führungszeugnis
So wird eine Verurteilung wegen Kinderpornografie i.d.R. in das Führungszeugnis aufgenommen, was schwerwiegende Auswirkungen auf das Berufsleben und das gesellschaftliche Ansehen haben kann. Besonders in Berufen, die mit Kindern, Jugendlichen oder schutzbedürftigen Personen zu tun haben, kann dies zu erheblichen Problemen führen.
Haben Beschuldigte selbst Kinder, schreitet häufig das Jugendamt ein
Beschuldigten mit eigenen Kindern können auch familienrechtliche Konsequenzen drohen. So können Sorgerechtsverfahren oder Umgangsrechte betroffen sein. Behörden (Jugendamt) oder Gerichte können unter Umständen den Kontakt zu eigenen Kindern einschränken oder völlig verbieten.
Gesellschaftliche Stigmatisierung
Verfahren wegen Kinderpornografie führen häufig zu erheblicher gesellschaftlicher Stigmatisierung.
Nicht selten können solche Verfahren auch zu Beziehungskrisen oder psychischen Problemen führen.
Strafverfahren wegen Kinderpornografie kommen auf verschiedene Arten zustande.
Viele soziale Netzwerke, Cloud-Dienste und Online-Plattformen nutzen automatisierte Systeme oder überprüfen Inhalte manuell, um verdächtiges Material zu erkennen.
Häufig Hinweise durch National Center for Missing & Exploited Children (NCMEC)
So kommen die meisten aller Hinweise auf Beschuldigte in Deutschland aus den USA, wo die Internetprovider gesetzlich verpflichtet sind, Missbrauchsdarstellungen zu melden. Verdachtsfälle werden dort vor allem an Organisationen wie dem National Center for Missing & Exploited Children (NCMEC) gemeldet. Diese Informationen werden dann an die Strafverfolgungsbehörden in Deutschland weitergeleitet, wo Ermittlungsverfahren eingeleitet werden.
Hinweise durch Privatpersonen
Auch Privatpersonen melden nicht selten den Verdacht auf Kinderpornografie. Das können Eltern, Lehrer, Bekannte oder andere Personen sein, die auf verdächtige Inhalte gestoßen sind oder ungewöhnliches Verhalten beobachten. Diese Hinweise werden oft direkt bei der Polizei oder anonym bei entsprechenden Hotlines eingereicht.
Verdeckte Ermittlungen
Die Polizei führt häufig auch gezielte und verdeckte Ermittlungen im Internet durch, insbesondere in Foren, Darknet-Plattformen oder auf Tauschbörsen, wo Kinderpornografie verbreitet wird.
Zufallsfunde
In manchen Fällen wird Kinderpornografie auch zufällig bei anderen Ermittlungen gefunden. Beispielsweise kann bei der Untersuchung von Computern oder Smartphones in einem anderen Zusammenhang, wie etwa bei Ermittlungen wegen Drogenhandels oder Betruges, kinderpornografisches Material entdeckt werden.
Ein Verfahren wegen Kinderpornografie verläuft ähnlich wie andere Strafverfahren, jedoch mit einigen spezifischen Besonderheiten. Nachfolgend wird der „normale“ Ablauf eines solchen Verfahrens grob skizziert:
Am Anfang steht häufig die Hausdurchsuchung
Haben Ermittlungsbehörden Hinweise auf Kinderpornografie erhalten, erfolgt sehr häufig eine Hausdurchsuchung, bei der Computer, Handys, Datenträger usw. beschlagnahmt werden.
Zu einem Haftbefehl und Untersuchungshaft kommt es im „Durchschnittsfall“ aber normalerweise nicht. In besonders schwerwiegenden Fällen, insbesondere, wenn Flucht- oder Verdunkelungsgefahr besteht, ist das aber manchmal nicht ausgeschlossen.
Häufig lange Verfahrensdauer
Diese sichergestellten Gegenstände werden dann durch Fachabteilungen der Polizei oder spezialisierte private Unternehmen ausgewertet, was in der Regel mehrere Monate dauert. Nicht selten kann dies mit - regionalen Unterschieden - sogar etwa 1- 3 Jahre dauern.
Über die Ergebnisse der Auswertung wird dann jedenfalls ein Auswertebericht gefertigt.
Weiterer Verfahrensablauf
Der Beschuldigten erhält zudem Gelegenheit, sich im Rahmen einer Vernehmung oder schriftlich – i.d.R. über seinen Verteidiger – zur Sache zu äußern.
Die Staatsanwaltschaft prüft dann, ob eine Anklage erhoben, ein sog. Strafbefehl beantragt oder das Verfahren eingestellt wird.
Im Fall einer Anklage kommt es zu einer – i.d.R. öffentlichen – Gerichtsverhandlung (sog. Hauptverhandlung). Beantragt die Staatsanwaltschaft in weniger schwerwiegenden Fällen einen Strafbefehl, braucht keine Gerichtsverhandlung stattfinden und die Angelegenheit kann in einem „schriftlichen“ Verfahren beendet werden.
Hat sich der Tatverdacht nicht bestätigt, stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Auch in Fällen geringfügigerer Vergehen kommt eine Verfahrenseinstellung, häufig gegen Zahlung einer Geldauflage, in Betracht.
In Strafverfahren wegen des Verdachts auf Kinderpornografie können unterschiedliche Verteidigungsstrategien angewendet werden, abhängig von den spezifischen Umständen des Falls, den Beweisen und den rechtlichen Gegebenheiten. Die Verteidigung konzentriert sich oft auf technische, rechtliche und inhaltliche Aspekte, um den Vorwurf zu entkräften oder abzumildern.
Kooperation und Geständnis – Die konsensuale Verteidigungsstrategie
Nicht selten ist die Beweislage eindeutig. Ausgewertete Handys, Computer und Datenträger weisen häufig eindeutiges kinderpornografisches Material nach und sehr häufig lässt sich dann ein Schuldnachweis nicht vermeiden. Hier wird häufig eine sog. konsensuale Verteidigungsstrategie zu empfehlen sein, die zum Ziel hat, das Strafverfahren möglichst schnell und schonend sowie mit möglichst geringen Rechtsfolgen zum Abschluss zu bringen. Das kann bei weniger schwerwiegenden Fällen im Einzelfall eine Verfahrenseinstellung sein und im Übrigen eine Verurteilung zu einer maßvollen Strafe.
Geständnis und Kooperation
Elemente einer solchen Strafmaßverteidigung sind dann vor allem die Abgabe eines Geständnisses und ein kooperatives Prozessverhalten, um das Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen.
Therapie kann strafmildernd wirken
Nicht selten stellt sich auch die Frage, ob eine Therapie durch eine Beratungsstelle oder eine Psychologin oder einen Psychologen erfolgen sollte. Diese Frage lässt sich nicht allgemein beantworten. Sollte tatsächlich ein Interesse an kinderpornografischen Darstellungen bestehen oder dies nicht auszuschließen sein, ist eine Beratung oder Therapie durchaus zu empfehlen. Häufig verlangen Gerichte auch eine Auseinandersetzung mit der Tat und eine Aufarbeitung des Fehlverhaltens, so dass sie auch nicht selten Therapieteilnahmen als Bewährungsauflagen beschließen. Kann man schon eine ernsthafte Aufarbeitung mit dem Fehlverhalten und eine absolvierte oder laufende Therapie nachweisen, kann dies zu deutlicher Strafmilderung führen.
Die bestreitende Verteidigungsstrategie
Natürlich gibt es auch Fälle, in denen Beschuldigte unschuldig sind bzw. eine Tat nicht nachweisbar ist. Hier ist das Ziel natürlich eine Verfahrenseinstellung bzw. ein Freispruch (sog. bestreitende Verteidigungsstrategie).
Fehlender Tatvorsatz
Das ist beispielsweise denkbar, wenn der Beschuldigte nicht wusste, dass er Kinderpornografie besessen oder darauf zugegriffen hat, etwa, weil er zufällig und ungewollt in Chats, Chatforen oder auf Social-Media-Plattformen auf Kinderpornografie gestoßen und diese auf seinen Computer oder sein Handy gelangt ist.
Nicht selten stoßen Personen auch beim Suchen oder Betrachten von - nicht strafbaren - allgemein pornografischen Inhalten im Internet versehentlich und ungewollt auf Kinderpornografie, die dann teilweise auch durch automatische Prozesse ungewollt heruntergeladen wird (sog. „Beifang“). In solchen Fällen haben sich Beschuldigte unter Umständen wegen fehlenden Tatvorsatzes gar nicht strafbar gemacht.
Ob ein solcher Tatvorsatz im Einzelfall vorliegt bzw. von den Ermittlungsbehörden und Gerichten nachweisbar ist, ist oft eine schwierige Frage, die ein Strafverteidiger mit seinem Mandanten offen und vertrauensvoll erörtern und sorgfältig rechtlich prüfen muss. Nicht selten kann hier eine bestreitende Verteidigungsstrategie erfolgreich sein und zur Verfahrenseinstellung oder zum Freispruch führen.
Gehackte Computer und Accounts
Auch Fälle, in denen Computer, Handys oder Internetdienst-Accounts gehackt oder sonst unbefugt und ohne Kenntnis des Beschuldigten durch Dritte genutzt oder durch Schadsoftware infiziert wurden und auf diese Weise Kinderpornografie an den Beschuldigten gelangt ist, kann unter Umständen eine Verfahrenseinstellung oder ein Freispruch erreicht werden.
Fehlende Illegalität des aufgefundenen Materials
Gleiches gilt auch in Fällen, in denen aus rechtlicher oder tatsächlicher Sicht fraglich ist, ob es sich beim dem aufgefundenen Material überhaupt um Pornografie handelt oder ob die abgebildeten Personen tatsächlich Personen unter 14 Jahren, also Kinder sind.
Maßgeschneiderte Verteidigungsstrategie
Natürlich gibt es weitere Verteidigungsansätze. Jede Verteidigungsstrategie muss individuell an die Umstände des Falls angepasst werden. Die Strategie hängt von vielen Faktoren ab, wie der Schwere der Vorwürfe, der Menge und Art der Beweise sowie des Verhaltens des Beschuldigten. Ein erfahrener und kompetenter Strafverteidiger ist in der Lage, eine maßgeschneiderte Verteidigungsstrategie zu entwickeln, um die bestmögliche Position für seinen Mandanten zu schaffen.
Der Tatvorwurf „Kinderpornografie“ wiegt schwer. Es drohen hohe Strafen und erhebliche außerstrafrechtliche Konsequenzen. Es bestehen viele weitere Besonderheiten. Eine effektive Verteidigung braucht deshalb ein hohes Maß an Kompetenz, Sensibilität, Fachwissen sowie Erfahrung und Engagement. Besteht gegen Sie der Verdacht auf Kinderpornografie, sollten Sie gegenüber den Ermittlungsbehörden oder Gerichten schweigen und umgehend einen auf das Sexualstrafrecht spezialisierten Verteidiger konsultieren.
Über den Autor
Grüße aus Dortmund! Mein Name ist Christian Kucera und ich bin Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht sowie Ex-Staatsanwalt. Seit über 24 Jahren bin ich in Dortmund und bundesweit als Strafverteidiger tätig.
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