Einstellung von Strafverfahren

Verteidigungsstrategie

Einstellung von Strafverfahren

Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Christian Kucera, 22.12.2024

Nicht jedes Strafverfahren endet mit einem Urteil – oft bietet die Einstellung des Verfahrens eine diskrete und effektive Lösung. Doch welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein?

Erfahren Sie hier mehr zu den in der Praxis besonders bedeutsamen Fällen von Verfahrenseinstellungen.


Was bedeutet die Einstellung eines Strafverfahrens?

Die Einstellung eines Strafverfahrens bedeutet, dass dieses ohne ein abschließendes gerichtliches Urteil beendet wird. Die Einstellung lässt die Schuldfrage offen. Der Beschuldigte wird weder schuldig gesprochen noch in einer dem Freispruch vergleichbaren Weise rehabilitiert.


Vor- und Nachteile einer Verfahrenseinstellung

Die Einstellung eines Strafverfahrens bietet Beschuldigten mehrere erhebliche Vorteile, die sich sowohl auf ihre rechtliche Situation als auch auf ihre persönliche und berufliche Zukunft positiv auswirken können.


Vermeidung einer Vorstrafe – Kein Eintrag im polizeilichen Führungszeugnis

So kommt es bei einer Einstellung zu keiner Verurteilung. Der Beschuldigte erhält auch keinen Eintrag im Führungszeugnis. Eine Einstellung ist kein Schuldspruch, was bedeutet, dass keine Feststellung der Schuld erfolgt. Dies ist insbesondere für Beschuldigte wichtig, die ihre Unschuld beteuern, da das Verfahren beendet wird, ohne dass sie als „schuldig“ gelten.


Keine Belastung durch öffentlichen Gerichtsprozess

Durch die Einstellung bereits im Ermittlungsverfahren bleibt der Beschuldigte von einem öffentlichen Gerichtsverfahren verschont, das häufig mit Stress, negativer medialer Berichterstattung und sozialer Stigmatisierung einhergeht. Aber auch, wenn die Sache bereits bei Gericht ist, kommt nicht selten eine Verfahrenseinstellung in Betracht, die die Gerichtsverhandlung erheblich abkürzen kann.


Schnelle und kostengünstigere Verfahrenserledigung

Die Einstellung ist häufig eine schnellere und kostengünstigere Art der Beendigung des Verfahrens, als bei einer langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzung.


Vermeidung berufsrechtlicher Konsequenzen

Bei Anklage oder Verurteilung drohen nicht nur Strafen und sonstige strafrechtliche Rechtsfolgen, sondern auch außerstrafrechtliche Konsequenzen, die häufig für die Betroffenen noch viel schlimmer sein können. So kann beispielsweise unter bestimmten Voraussetzungen ein Berufsverbot oder die Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit sowie der Widerruf des Jagd- oder Waffenscheins oder der Entzug der beruflichen Zulassung etwa bei Rechtsanwälten und Ärzten drohen. Bei Beamten können die Konsequenzen einer strafrechtlichen Verurteilung von einem einfachen Disziplinarverfahren  bis hin zur Entfernung aus dem Dienst reichen.

Bei einer Verfahrenseinstellung können solche berufsrechtlichen Konsequenzen in der Regel vermieden werden.



Nachteile

Obwohl eine Einstellung in der Regel ein positives Ergebnis für den Beschuldigten ist, bringt sie auch gewisse Nachteile mit sich. Vor allem das Fehlen eines Freispruchs und die möglichen Folgen eines sog. „Restverdachts“ können belastend sein. Auch den Verzicht auf die Möglichkeit, rechtliche „Klarheit“ zu schaffen oder die Erfüllung belastender Auflagen empfinden manche Beschuldigte in bestimmten Fällen als negativ.

In der Regel überwiegen in der Praxis aber die Vorteile einer Verfahrenseinstellung deren Nachteile.

 

Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO – Der „Königsweg“

Eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO bedeutet, dass ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren eingestellt wird, weil kein hinreichender Tatverdacht gegen den Beschuldigten besteht. Konkret heißt das, dass die Staatsanwaltschaft nach der Prüfung aller Beweise und Ermittlungsergebnisse zu dem Schluss kommt, dass die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung durch ein Gericht nicht gegeben ist. Die Akten werden dann ohne langwierige Gerichtsverhandlung „zugemacht“, es kommt zu keinem Schuldspruch und es erfolgt auch kein Eintrag im Führungszeugnis.

Ein kleiner „Wermutstropfen“ besteht bei einer Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO darin, dass sie in der Regel keinen förmlichen Unschuldsbeweis erbringt und dass die Ermittlungen wiederaufgenommen werden können, wenn die Ermittlungsbehörden innerhalb der Verjährungsfristen neues belastendes Beweismaterial finden. Auch erhält ein Beschuldigter im Falle der Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO keine Erstattung seiner Auslagen (also insbes. seiner Anwaltskosten) aus der Staatskasse.

Kann man eine Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO erreichen, ist das i.d.R. aber der optimale Lösungsweg und kommt einem förmlichen Freispruch durch ein Gericht am nächsten, weshalb er häufig auch als „kleiner Freispruch“ bezeichnet wird.


Einstellung wegen Geringfügigkeit nach §§ 153, 153a StPO

Aber auch, wenn für eine Schuld eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, ermöglicht es das Gesetz, ein Strafverfahren bei Straftaten mit geringerem Unrechtsgehalt und einem weniger schwerwiegenden Tatvorwurf unter bestimmten Voraussetzungen ohne Verurteilung einzustellen:

  • § 153 StPO: Geringfügige Straftaten können – ohne Auflagen - eingestellt werden, wenn das (mögliche) Verschulden des Beschuldigten als gering anzusehen ist und kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht.
  • § 153a StPO: Hier kann das Verfahren eingestellt werden, wenn der Beschuldigte der Einstellung zustimmt und bestimmte Auflagen (z. B. Geldzahlung, gemeinnützige Arbeit) erfüllt. Nach Erfüllung der Auflagen gilt das Verfahren als beendet.

Wichtig: Die Zustimmung des Beschuldigten zur Einstellung und die Erfüllung der Auflage stellt kein Schuldanerkenntnis dar.



Die Zustimmung zur Einstellung enthält kein Eingeständnis strafrechtlicher Schuld

(BVerfG, Beschluss vom 29.05.1990 – 2 BvR 254/88, 2 BvR 1343/88)


Beide Regelungen dienen dazu, Verfahren zu vereinfachen und die Gerichte zu entlasten. Vorteilhaft für Beschuldigte ist insbesondere die relativ schnelle, „geräuscharme“ und auch kostenschonende Verfahrenserledigung und vor allem, dass bei einer Einstellung keine Schuldfeststellung erfolgt und auch keine Eintragung im polizeilichen Führungszeugnis. So kann eine (mögliche) Vorstrafe vermieden werden.


Teileinstellung bei mehreren Taten nach § 154 StPO

§ 154 StPO ermöglicht es, ein Strafverfahren aus verfahrensökonomischen Gesichtspunkten einzustellen, wenn der Beschuldigte bereits wegen schwererer Straftaten verfolgt wird und die verfahrensgegenständliche Tat für die Strafe keine wesentliche Rolle spielt.

Diese Regelung dient der Entlastung von Gerichten und Behörden, indem Verfahren wegen Straftaten mit geringerer Bedeutung zurückgestellt oder nicht weiterverfolgt werden.

Eine Einstellung setzt voraus, dass es bereits   andere, schwerwiegendere Taten gibt, die eine ausreichende Bestrafung gewährleisten. Die Verfolgung der "kleineren" Tat ist nicht notwendig, um das Strafziel zu erreichen.

Die Einstellung nach § 154 StPO verhindert unnötigen Aufwand und sorgt dafür, dass sich Strafverfahren auf die wesentlichen Tatvorwürfe konzentrieren.


Sonstige Einstellungsmöglichkeiten

Es gibt zahlreiche weitere rechtliche Möglichkeiten, ein Strafverfahren einzustellen, von denen folgenden Beispiele besonders praxisrelevant sind:

 

Einstellung nach §§ 45, 47 JGG: Jugendstrafverfahren unkompliziert beenden

Im Jugendstrafrecht liegt der Fokus auf Erziehung statt Bestrafung. Die Einstellung nach § 45 JGG ermöglicht der Staatsanwaltschaft, beispielsweise Verfahren bei weniger schweren Taten oder nach Absolvierung von sog. Sozialstunden oder nach Schadenwiedergutmachung direkt zu beenden – ohne Gericht und ohne Strafe. Unter ähnlichen Voraussetzungen kann nach § 47 JGG auch das Gericht ein Verfahren einstellen. Diese Regelungen bieten Jugendlichen die Chance, ohne langes Verfahren und ohne Verurteilung einen neuen Weg einzuschlagen.

Einstellung nach § 31 BtMG und § 35 KCanG: Strafmilderung durch Kooperation – sog. „Kronzeugenregelung“

Nach § 31 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und § 35 Konsumcannabisgesetz (KCanG) kann ein Verfahren wegen Drogenstraftaten unter bestimmten Voraussetzungen eingestellt werden, wenn der Beschuldigte zur Aufklärung von Straftaten kooperiert und wichtige Informationen liefert. Diese freiwillige Zusammenarbeit kann zu einer erheblichen Strafmilderung oder sogar einer Einstellung des Verfahrens führen, da sie im Sinne der Strafverfolgung als besonders wertvoll angesehen wird. Die Regelung fördert die Aufklärung schwerer Straftaten und bietet Beschuldigten eine Chance, ein Strafverfahren erheblich abzukürzen und die Rechtsfolgen für sich selbst möglichst gering zu halten.

Einstellung nach § 31a BtMG und § 35a KCanG bei geringen Mengen Drogen zum Eigenbedarf

Nach § 31a BtMG und § 35a KCanG kann ein Strafverfahren eingestellt werden, wenn es um Vergehen wegen Drogen in geringer Menge zum Eigenbedarf  geht und bestimmte weitere Voraussetzungen erfüllt sind.

 

Fazit

Die Einstellung eines Strafverfahrens ist oft die beste Lösung, um die Belastungen eines Strafverfahrens schnell und diskret zu beenden. Ob bei Geringfügigkeit, mit oder ohne Auflagen – jeder Fall erfordert eine individuelle Strategie und nicht selten fundierte juristische Argumente und geschickte Verhandlungen mit Staatsanwaltschaft und Gericht. Vertrauen Sie auf meine Erfahrung und juristische Kompetenz, um die bestmögliche Lösung für Ihren Fall zu erzielen.

Ist eine Einstellung in Ihrem Fall möglich? Kontaktieren Sie mich jetzt für eine unverbindliche Beratung!


Portrait Christian Kucera

Über den Autor

Grüße aus Dortmund! Mein Name ist Christian Kucera und ich bin Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht sowie Ex-Staatsanwalt. Seit über 24 Jahren bin ich in Dortmund und bundesweit als Strafverteidiger tätig.

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